Die Angleichung der Arbeiter:innen- und Angestelltenrechte ist im Oktober 2021 endlich in Kraft getreten. Jetzt gelten dieselben Kündigungsfristen, mit Ausnahmen für Saisonbranchen. Doch was zählt als Saisonbranche? Und wer legt das fest?
Dazu gibt es noch viele offene Fragen. Im Interview mit Arbeits- und Sozialrechtsexperte Wolfgang Kozak erfahren wir erste Antworten.
Wolfgang Kozak: Der Kollektivvertrag (KV) für Hotel- und Gastgewerbe sieht eine 14-tägige Kündigungsfrist vor, die im Vergleich zu dem, was wir jetzt im Angestelltenrecht haben, viel, viel kürzer ist.
Aufgrund eines Antrags der Wirtschaftskammer wurde der OGH eingeschaltet. Der sagt: Die KV-Partner können bei den alten Bestimmungen bleiben, aber nur in Branchen mit überwiegend Saisonbetrieben. Und ob das zutrifft, bestimmen nicht die Kollektivvertragspartner, sondern es kommt auf die jeweilige Situation in der vom Kollektivvertrag angenommenen Branche an.
Wolfgang Kozak, Jurist im Bereich Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz der AK Wien
Die Vertretung von Hotel- und Gastgewerbe argumentierte mit Spitzenzeiten und Schwankungen von Beschäftigten im Ausmaß von 30 bis 40 Prozent. Laut OGH definiert einen Saisonbetrieb nicht die Branche selbst. Grundsätzlich müssen Saisonbetriebe in einer Branche überwiegen. Aber manche Hotels sind ganzjährig geöffnet und bewerben auch die Nebensaison; Gaststätten sind nicht automatisch Tourismusbetriebe, da gibt es Traditionsgasthäuser, Burger-Lokale, Kantinen oder Pubs.
Der OGH konnte kein eindeutiges Überwiegen der Saisonbetriebe in dieser Branche erkennen. Deshalb können die KV-Partner keine verkürzte Kündigungsfrist gegenüber dem neuen Gesetz regeln.
Es geht um die Regelungshoheit des KVs. Kündigungsfristen kann der KV also derzeit nur dann schlechter als das Gesetz regeln, wenn die Branche überwiegend aus Saisonbetrieben besteht.
Die Frage, ob der KV oder das Gesetz gilt, ist für die Arbeitnehmer:innen unzumutbar. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, das zu regeln und Ausnahmen zu beseitigen.
Arbeitnehmer:innen können sich bei der AK beraten lassen, haben schlimmstenfalls einen Schadenersatzanspruch und erhalten Rechtsbeistand.
Bei den Arbeitgeber:innen des Hotel- und Gastgewerbes sollte man nach der Entscheidung des OGH davon ausgehen können, dass sie wissen, was sie tun. Ein Restrisiko bleibt – das muss man offen sagen.
Wolfgang Kozak, Jurist AK Wien
Ja – aber im Sinne der Rechtssicherheit vielleicht ohne Sonderregelung bei den Kündigungsfristen. Oder es ist für jeden klar erkennbar, ob die KV-Partner ermächtigt sind, kürzere Kündigungsfristen festzulegen.
Zum Beispiel beim Gesetz zur Arbeitskräfteüberlassung („Leiharbeit“, Anm.) ist das eindeutig geregelt. Wenn ich keine Rechtsklarheit habe, werde ich speziell als Arbeitnehmer:in mich eher an die längere Kündigungsfrist halten, damit ich keinen vorzeitigen Arbeitsaustritt begehe. Das wäre eine Empfehlung.
Nur insoweit, als man jetzt weiß, welche die Merkmale sind, die zu prüfen sind – und das ist erwiesenermaßen sehr schwer. Daher die Forderung nach einer novellierten Regelung, die praktikabler ist. Die jetzige Situation ist ein Supergau für Jurist:innen, die an Rechtssicherheit glauben.