Durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit war über viele Jahre die am häufigsten anerkannte Berufskrankheit. 2021 wurde sie von Infektionskrankheiten abgelöst. Oftmals erleiden Arbeitnehmer:innen durch ihre Erwerbsarbeit gesundheitliche Schädigungen.
Wird eine Krankheit als Berufskrankheit anerkannt, übernimmt die Sozialversicherung sowohl Heilbehandlung als auch Rehabilitation. Zudem steht den Betroffenen beziehungsweise Hinterbliebenen unter bestimmten Voraussetzungen auch finanzielle Entschädigung zu. „Die finanziellen Zahlungen sichern die Betroffenen ab“, erklärt ÖGB-Gesundheitsexpertin Claudia Neumayer-Stickler. Damit ihnen aber Leistungen aus der Unfallversicherung zustehen, müssen die berufsbedingten Erkrankungen ausdrücklich in der Berufskrankheitenliste im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geregelt sein.
Claudia Neumayer-Stickler, ÖGB-Gesundheitsexpertin
In Österreich sind viel zu wenige berufsbedingte Erkrankungen anerkannt – zu Lasten der Arbeitnehmer:innen. Das in März in Kraft getretene Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz, auf das AK und ÖGB seit Jahren drängen, sollte Abhilfe schaffen. „Die aktuelle Anpassung der Berufskrankheitenliste ist eine vergebene Chance“, kritisiert Bau-Holz-Gewerkschafter und ÖGK-Obmann Andreas Huss. Die Berufskrankheitenliste wurde um vier Krankheiten ergänzt – aktuell sind es 56. „In Deutschland werden 80 Berufskrankheiten anerkannt“, betont Neumayer-Stickler.
Dass mit der Aktualisierung weißer Hautkrebs endlich als Berufskrankheit gilt, ist begrüßenswert. Zu Recht – denn in Deutschland zählt er zu den am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten. In Anbetracht der steigenden Hitzetage sei das für jene, die überwiegend im Freien arbeiten und oft schon ab März hohen UV-Strahlungen ausgesetzt sind, besonders wichtig, sagt die ÖGB-Expertin.
Doch bei psychischen Erkrankungen sieht es mit der Anerkennung als Berufskrankheit schlecht aus. Zwar trifft Burnout als Folge von chronischem Arbeitsstress immer mehr Beschäftigte: Rund 60 Prozent sind mindestens einem psychischen Risiko – wie starkem Zeitdruck – ausgesetzt. Doch arbeitsbezogene psychische Erkrankungen sind weiter nicht auf der Liste der Berufskrankheiten.
Podcast-Folge: Warum Long Covid und Co. in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden müssen.
Andreas Huss, Obmann ÖGK
Von Pflegekräften über Paketzusteller:innen zu Steinmetzen: Eine breite Palette von Arbeitnehmer:innen kämpft mit Bandscheibenvorfällen. Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats werden im aktualisierten Gesetz aber weiterhin ignoriert. „Damit Beschäftigte gesund in die Pension kommen, muss man präventiv handeln. Hilfskonstrukte, Anleitungen und die Minimierung des Arbeitsdrucks können entlasten“, rät Claudia Neumayer-Stickler.
„Wir brauchen ein Expert:innengremium, das sich laufend mit arbeitsbedingten Erkrankungen beschäftigt und die Berufskrankheitenliste ständig an das aktuelle Krankheitsgeschehen am Arbeitsplatz anpasst“, fordert Huss. So gelingt es Deutschland, die Liste der Berufskrankheiten regelmäßig zu ergänzen.
„In Österreich ist eine Gesetzesänderung allein vom politischen Willen abhängig“, kritisiert die Gesundheitsexpertin. Eine weitere Kürzung der Lohnnebenkosten würde zudem bedeuten, dass die AUVA weiterhin keinen umfassenderen Präventionsauftrag zur Eindämmung von Berufskrankheiten hätte. „Umso wichtiger ist es, dass wir im Interesse der Arbeitnehmer:innen dranbleiben und auf eine wirkliche Modernisierung der Berufskrankheitenliste pochen“, so Neumayer-Stickler.