Berufskrankheiten in Österreich: Was Arbeitnehmer:innen wissen müssen © Adobe Stock
Interview

Berufskrankheiten: Was Arbeit­nehmer:innen wissen müssen

AK-Experte Alexander Pasz zur An­erkennung von Berufs­krank­heiten und der Möglichkeit einer Kla­ge im Sozial­recht.
Stefan Mayer
13.10.2022
In diesem Artikel

    Die wichtigsten Antworten zum Thema Berufskrankheiten

    Eine Berufskrankheit muss laut Allgemeinem Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine „länger andauernde Krankheit“ sein. Was bedeutet das?

    Alexander Pasz: Dieser Begriff ist gesetzlich nicht normiert, sondern ergibt sich durch die Natur des entstehenden Gesundheitsschadens: Eine Berufskrankheit ist die Folge gesundheitsschädlicher Einflüsse im Beruf. Meist entwickelt sich die Krankheit langsam. Das unterscheidet die Berufskrankheit auch vom Arbeitsunfall, der plötzlich eintritt. Es gibt aber auch Berufskrankheiten, die durch ein plötzliches Geschehen eintreten können.  

    AK-Experte Alexander Pasz © Privat
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    Alexander Pasz, Jurist in der Abteilung Sozial­versicherung der AK Wien

    Die Berufskrankheiten-Liste ist zuletzt vor zehn Jahren angepasst worden. Sollte das nicht häufiger geschehen?

    Alexander Pasz: Ja, die Berufskrankheiten-Liste (BK-L) sollte regelmäßig an die medizinischen beziehungsweise beruflichen Verhältnisse angepasst werden. Insbesondere die Corona-Pandemie hat dies verdeutlicht. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, wieso die berufsbedingte Erkrankung einer Supermarktangestellten an COVID-19 nicht als Berufskrankheit anerkannt wird. Ein weiteres Beispiel ist weißer Hautkrebs, der derzeit nicht erfasst ist. Hier fordert die Bundesarbeitskammer die Einsetzung eines Expert:innengremiums, wie es beispielsweise auch in Deutschland besteht. Dieses soll den Änderungsbedarf regelmäßig medizinisch evaluieren und das Sozialministerium mit Empfehlungen zur Erweiterung der Liste unterstützen.  

    „Es ist beispiels­weise nicht nach­voll­ziehbar, wieso Long COVID nicht als Berufs­krank­heit an­erkannt wird.“ 

    Alexander Pasz, Jurist in der Abteilung Sozial­versicherung der AK Wien

    Bei der Anerkennung einer Berufskrankheit können bei schwerwiegenden Gesundheitsschäden Geldleistungen zugesprochen werden. Welche Voraussetzungen braucht es hier?

    Alexander Pasz: Versicherte werden aufgrund einer Berufskrankheit unfallversicherungsrechtlich durch Geldleistungen entschädigt. Die bedeutsamste ist hier die Versehrtenrente. Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn und solange die allgemeine Erwerbsfähigkeit infolge der Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalls – bei der Berufskrankheit meist der Beginn der Krankheit – grundsätzlich um mindestens 20 Prozent vermindert ist.

    Was braucht es für den Nachweis einer Berufskrankheit?

    Alexander Pasz: Es braucht einen Beweis, dass die Krankheit mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängt. In einem aktuellen Fall erkrankte ein Arbeitnehmer an einer Asbest-Exposition. Der Mann war jahrelang beruflich Silikat-Mineralen ausgesetzt. Vor Gericht konnte der Dienstnehmer den Nachweis erbringen, dass die Krankheit mit seinem Arbeitsplatz zusammenhängt. Der Ausgang eines solchen Gerichtsverfahrens hängt stark vom Sachverständigen ab. Wichtig war hier ein Gutachter, der mit der konkreten Tätigkeit des Arbeitnehmers auch vertraut gewesen ist. 

    Was kann aus dieser Rechtsprechung für weitere Fälle geschlossen werden? 

    Alexander Pasz: Wichtig ist, dass ein Verdacht des Vorliegens einer Berufskrankheit auch gemeldet wird, und dass Arbeitnehmer:innen – im Falle von negativen Entscheidungen der Versicherungsträger – die Möglichkeit einer Klage im Sozialrecht nutzen sollten. Dieser Rechtsschutz ist mit keinen Kosten verbunden. Im Gerichtsverfahren erster Instanz entstehen im Sozialrecht grundsätzlich keine Kosten, wie beispielsweise Gerichtsgebühren. Darüber hinaus veranschaulicht das Judikat zudem, dass auch berufsbedingte Gesundheitsschädigungen, die Jahrzehnte zurückliegen, in der Praxis bewiesen werden können.


    Wie können Berufskrankheiten vermieden werden?

    gut zu wissen

    Der Arbeitnehmer:innenschutz sieht u.a. folgende Maßnahmen vor:

    • Ersatz von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen
    • Kapselung von Anlagen/Maschinen
    • Erfassung von Dämpfen und Stäuben durch funktionstüchtige Absauganlagen
    • Einführung von medizinischen Instrumenten mit integrierten Sicherheits- und Schutzmechanismen anstelle von konventionellen Systemen im Krankenhaus- und Gesundheitswesen
    • Ausreichende und nachweisliche Information und Unterweisung der Beschäftigten über die Gefahren am Arbeitsplatz
    • Verbot der Nahrungsaufnahme am Arbeitsplatz
    • Hygienische Maßnahmen wie z. B. Händewaschen vor der Nahrungsaufnahme, ausreichende Körperreinigung nach Beendigung der Arbeit, Tragen von Arbeitskleidung
    • Schutzmaßnahmen gegen Lärm, Vibrationen und optische Strahlung
    • Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung

    Mehr unter www.arbeitsinspektion.gv.at

     

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