AKtuell: Als Negativbeispiel, das durch die Medien ging, ist die Causa Hygiene Austria in Erinnerung. Was war das Spezielle an diesem Fall?
Susanne Haslinger: Dass die Öffentlichkeit die ganzen Kosten getragen hat, verursacht durch vier Subunternehmen, die am Ende insolvent waren. Wir haben hier eine relativ absurde gesetzliche Regelung, dass der Beschäftiger überhaupt keine Löhne oder Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss, wenn der Insolvenz-Entgelt-Fonds den Leuten das Geld erstattet. Das heißt, einige wenige machen Gewinne, am Schluss gehts krachen – und den Schaden haben die Steuerzahler:innen.
Reinhold Binder: Deshalb ist es unser Auftrag, dafür zu sagen, dass die Auftraggeberhaftung an Bedeutung gewinnt, damit die Verursacher derartiger Probleme tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden.
AKtuell: Was sind die gängigsten Tricks der Überlasser?
Susanne Haslinger: Eine Geschichte, die uns seit vielen Jahren beschäftigt, ist das Zwischenparken beim AMS. Arbeitskräfte werden gekündigt, wenn ihr Einsatz endet und wenige Wochen später wieder eingestellt. Natürlich würde es aber die gesetzliche Verpflichtung geben, die Stehzeiten auch zu bezahlen. Oft sind außerdem Sprachbarrieren ein Problem: Beschäftigte unterschreiben etwa eine einvernehmliche Auflösung, obwohl sie nicht einmal wissen, was auf dem Zettel steht.
Reinhold Binder: Ein Grundübel bei vielen Betrieben und Konzernen liegt außerdem in der Bilanzierung. Denn Arbeitnehmer:innen, die in Form von Arbeitskräfteüberlassung erwerbstätig sind, sind in der Bilanz des Beschäftigerbetriebes als Sachaufwand angeführt. Wertschätzung gegenüber Arbeitnehmer:innen sieht anders aus.
Susanne Haslinger: Und außerdem bildet es die tatsächlichen Kosten nicht ab.
AKtuell: Was wären effektive Sanktionen, um dubiose Überlasser in die Schranken zu weisen?
Reinhold Binder: Für uns als Gewerkschaftsbewegung ist es natürlich wichtig, dafür zu sorgen, dass es Betriebsrät:innen gibt. Denn Arbeitnehmer:innen geht es dort besser, wo Mitbestimmung gelebt wird. Das gilt für Beschäftiger- wie für Überlasserbetriebe gleichermaßen. Dazu kommt der Kampf gegen Lohndumping und für mehr Kontrollen sowie die bereits angesprochene Auftraggeberhaftung.
Susanne Haslinger: Leider wurden im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz die Strafen stark reduziert – das muss rückgängig gemacht werden. Gemeinsam mit der Arbeiterkammer fordern wir außerdem ein Verbandsklagegesetz, um Missstände in Betrieben kollektiv für Arbeitnehmer:innen einklagen zu können.
AKtuell: Betriebsratsarbeit stößt in Zusammenhang mit Arbeitskräfteüberlassung mitunter an Grenzen. Warum?
Reinhold Binder: Weil die Arbeitnehmer:innen etwa bisweilen in ganz Österreich, in ganz Europa oder auf der ganzen Welt verteilt sind und der Kontakt zum Arbeitgeber möglicherweise nur ein Büro ist oder ausschließlich in der Onlinekommunikation passiert. Dabei ist entscheidend: Wo ist der Arbeitsvertrag begründet? Wo gibt es eine Überlassungsvereinbarung? Und was sind die rechtlichen Folgen? Das ist in diesem Fall doch etwas komplizierter.
Susanne Haslinger: Wir haben sehr dicke Bretter gebohrt, dass die Betriebsrät:innen in den Beschäftigerbetrieben sagen: Hey, das sind unsere Leute, die wir genauso vertreten. Denn das ist ja an sich die Idee des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, die Stammbelegschaft zu schützen. Die Überlassung soll ja kein Einfallstor für Dumping sein. Leider stoßen Betriebsratsmitglieder aber regelmäßig auf rechtliche Hürden. Indem sie zum Beispiel auf etwas nicht einwirken dürfen, weil der Überlasser der arbeitsrechtliche Vertragspartner ist, der die Grundsituation ändern müsste.