AKtuell: Wie gehe ich vor, wenn ich zum Arbeiten am Bildschirm eine Brille brauche?
Petra Streithofer: Voraussetzung ist, dass Bildschirmarbeit vorliegt – zwei Stunden am Stück pro Tag oder drei Stunden über den Tag verteilt. Grundlage ist eine augenfachärztliche Verordnung, aus der hervorgeht, dass eine Bildschirmbrille notwendig ist und welche Gläser man braucht. Mein Tipp ist: Sich möglichst frühzeitig schlau machen, ob es im Betrieb Rahmenbedingungen für die Augenuntersuchung und die Beschaffung der Brille gibt. Man sollte nicht gleich die Brille besorgen! Am besten klärt man mit der Verordnung und einem Kostenvoranschlag alles im Betrieb ab, bevor man die Brille bestellt.
AKtuell: Dass dieses Prozedere in einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden kann, scheint für viele Neuland zu sein.
Petra Streithofer: Es ist schon eine der häufigeren Betriebsvereinbarungen in großen Unternehmen. Gewerkschaften haben dazu Musterbetriebsvereinbarungen.
AKtuell: Und sobald ich Bildschirmarbeit zu verrichten habe, sollte ich diesbezüglich aufmerksam sein, ob es eine betriebliche Regelung gibt?
Petra Streithofer: Eigentlich sind die Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer:innen zu informieren, dass sie Bildschirmarbeit leisten – und welche Rechte sie haben, nämlich Augenuntersuchung, Bildschirmpause und eben die Bildschirmbrille. Aber das passiert in der Praxis nicht immer. Wenn es einen Betriebsrat gibt, kann dieser auf die Regelung aufmerksam machen. Oder die Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP), die muss es auch in jedem Betrieb mit mehr als elf Mitarbeiter:innen geben.
AKtuell: In der Praxis sorgt die Bildschirmbrille offenbar immer wieder für Streitfälle.
Petra Streithofer: Bildschirmbrille und Bildschirmpause gehören zu den Themen, die bei uns in der Telefonberatung am häufigsten nachgefragt werden. Es rufen leider oft Arbeitnehmer:innen an, die sich die Bildschirmbrille schon gekauft haben, die Rechnung vorlegen, aber die Arbeitgeber:innen sagen: Das ist zu teuer. Oder sie weigern sich, überhaupt etwas zu zahlen, weil sie nicht wissen, dass sie grundsätzlich verpflichtet sind, die Bildschirmbrille zu zahlen.
AKtuell: Erstaunlich ist, dass solche Fälle sogar bei Höchstgerichten landen. Wie kommt es dazu?
Petra Streithofer: In Österreich ist die Rechtslage in puncto Bildschirmbrille schon recht klar, es gibt Entscheidungen vom Obersten Gerichtshof und vom Verwaltungsgerichtshof. In anderen Ländern wurden Fälle an den Europäischen Gerichtshof herangetragen. Wenn Fragen durch die Höchstgerichte entschieden sind, tut man sich bei Streitfällen mit Arbeitgeber:innen auch leichter, weil man auf die Judikatur hinweisen kann.