Imagebild sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz © iri.madrid - stock.adobe.com


Weitblick

Sexuelle Belästigung in der Arbeit stoppen

736.613 Frauen sind betroffen – und jede einzelne ist zu viel. Wie Betriebsrät:innen mit Bewusstseinsbildung und Beschwerdeprozessen vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen können – auch präventiv.

Delna Antia-Tatić
04.12.2024

Ja, es geht um „Po-Grapschen“. Aber nicht nur. Es geht auch um anzügliche „Witze“, taxierende Blicke oder jede Art von unerwünschtem Körper­kontakt. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kennt viele Formen – meistens betrifft sie Frauen. Mehr als jede vierte Frau hat damit bereits Erfahrung in der Arbeit gemacht. Das zeigt eine Erhebung der Statistik Austria von 2022.

In Zahlen sind das 736.613 Betroffene – und da stellt sich die Frage: Was wird dagegen getan? Denn sexuelle Belästigung am Arbeits­platz ist in Österreich verboten. Sie ist eine Form von Gewalt und gilt als Menschen­rechts­verletzung. Gleich zwei Gesetzestexte befassen sich mit sexueller Belästigung: Das Strafrecht definiert sie als „geschlechtliche Handlung“, die die Würde verletzt.

Gleich­behandlungs­gesetz und Fürsorgepflicht

Das Gleich­behandlungs­gesetz erkennt in ihr eine Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – und stellt zudem Arbeitgeber in die Fürsorge­pflicht. Unternehmen haben dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbst­bestimmung, die sexuelle Integrität und die Intimsphäre der Arbeit­nehmer:innen am Arbeits­platz nicht gefährdet werden. Kommt es trotzdem dazu, müssen sie für „angemessene Abhilfe“ sorgen. Wenn nicht reagiert wird, fällt das unter „schuldhafte“ Unterlassung. 


factbox

Sexuelle Belästigung

Der Gesetzgeber ist recht klar:

Sexuelle Belästigung ist u. a., was als solche empfunden wird und für die betroffene Person unerwünscht ist. Sie ist häufig ein Ausdruck der Machtverhältnisse und betrifft vorwiegend Frauen.

Gesetzliche Sanktionen sind wichtig, aber sie greifen oft erst, wenn es bereits zu spät ist: Wenn die Betroffenen ihren Arbeits­platz bereits verloren oder freiwillig aufgegeben haben. Verhindert wird das am ehesten dort, wo das Problem entsteht – am Arbeitsplatz. 

Leitfaden aus der Gastronomie

Doch oft fehlt es an Wissen, nicht unbedingt am Willen. Die Verantwortung liegt klar auf Arbeitgeber­seite. Trotzdem können Betriebsrät:innen viel beitragen, gerade wenn im Unternehmen Gleich­stellungs­beauftragte fehlen. Sie können ein Schutz­konzept einfordern – für den Fall der Fälle und zur Prävention.

Eine gute Orientierung gibt der Leitfaden für Gastronom:innen. Erstmals wurde auf Initiative der Wirtschafts­kammer Wien, der Arbeiter­kammer Wien und der Gewerkschaft vida ein Schutz­konzept für die Branche erarbeitet. Denn sexuelle Belästigung gehört in der Gastro – leider – zum Arbeits­alltag. Eine Befragung zeigte: 79 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer haben bereits sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet. Der Leit­faden soll hier präventiv entgegenwirken. Aber er kann auch abseits der „Gastro“ wichtige Orientierung geben


gut zu wissen

So geht Schutzkonzept

Fordere als Betriebsrats­mitglied von deinem Arbeitgeber ein, die folgenden Punkte umzu­setzen und darüber etwa eine Betriebs­verein­barung zu schließen.

Verstehen: Welches Verhalten gilt als sexuelle Belästigung?

Alle Beschäftigten sind informiert, was das Gesetz unter sexueller Belästigung und Fürsorgepflicht versteht.

Typische Beispiele von sexueller Belästigung am Arbeits­platz gegenüber Frauen sind: Versenden von Nach­richten mit sexuellen Inhalten, anzügliche Kommentare über ihre Figur, unerwünschte Berührungen oder exhibitionis­tische Handlungen. Das Versprechen von Karriere­verbesserungen bei sexuellem Entgegen­kommen oder die Androhung von beruflichen Nach­teilen, wenn sie sich verweigern.

Nachfragen: Wie geht es den Mitarbeiter:innen damit?

Um herauszufinden, wie es Beschäftigten mit dem Thema geht, empfiehlt sich zum Beispiel ein anonymer Online-Fragebogen.

Beschwerdeprozess: Welche Schritte braucht es?

  1. Entgegennahme: Alle Mitarbeiter:innen sind informiert, dass es einen Beschwerde­prozess gibt. Ein Melde­formular steht zur Verfügung.
  2. Bearbeitung: Es werden Beschwerde­beauftragte ernannt und ausgebildet. Jeder Meldung wird nachgegangen und erste Abhilfe geschaffen. Etwa durch räumliche Trennung von Opfer und Täter:in während der Arbeits­zeit. Achtung: Nicht zum Nachteil des Opfers. Es wird kontrolliert, ob die Abhilfe­maßnahmen effektiv waren.
  3. Lösung: Zusammen­arbeit mit externen Beratungs­stellen empfiehlt sich. Erfolgreich wurde einer Meldung dann nach­gegangen, wenn die betroffene Person und auch andere Mitarbei­ter:innnen vor weiteren Über­griffen geschützt sind.

Code of Conduct: Wie verhalten wir uns?

Ein Verhaltens­kodex wird von Mitarbeiter:innen selbst erarbeitet. Das gibt Orientierung im Arbeits­alltag und stärkt die Unternehmenskultur. Hänge ihn sichtbar für alle auf.

Arbeits­vertrag: Verbot von sexueller Belästigung!

Eine Selbst­verpflichtung ist Teil des Arbeitsvertrags. Zum Beispiel: „Mir ist bekannt, dass sexuelle Belästigung gesetzlich verboten ist und ich mit Maßnahmen bis hin zur Entlassung und Strafanzeige rechnen muss, sollte ich mich dieser schuldig machen. Informationen, die definieren, was unter sexueller Belästigung und der gesetzlichen Fürsorge­pflicht zu verstehen ist, wurden mir zugänglich gemacht.”


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