Martin Müller: Einen freiwilligen Sozialplan kann ein Unternehmen immer erstellen, auch ohne Betriebsrat. Voraussetzungen gibt es, wenn ein Sozialplan erzwungen werden soll. Das heißt: Ich kann zur Schlichtungsstelle gehen und sagen, wir haben versucht, mit dem Arbeitgeber zu einer Einigung zu kommen, vergeblich – bitte, liebe Schlichtungsstelle, führe du die Einigung herbei oder ersetze du die Zustimmung. Die Erzwingbarkeit gibt es nur ab mindestens 20 Arbeitnehmer:innen – das ist die Grundvoraussetzung. In Betrieben darunter haben wir auch eher selten einen Betriebsrat.
Grundsätzlich hat der Betrieb den Betriebsrat immer über die wirtschaftliche Lage zu informieren. Dabei können natürlich Dinge auftreten, bei denen die Interessen der Arbeitnehmer:innen betroffen sind. Laut Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) etwa bei Einschränkung oder Stilllegung des gesamten Betriebes oder von Betriebsteilen, Auflösung von Arbeitsverhältnissen, Verlegung des Betriebes oder Zusammenschluss mit anderen Betrieben, Änderung des Betriebszwecks, Einführung neuer Arbeitsmethoden, Einführung von Rationalisierungsmaßnahmen – das alles kann negative Auswirkungen auf die Arbeitnehmer:innen haben.
Da gibt es die Möglichkeit zu sagen: Das wollen wir abgefedert wissen, in welcher Art und Weise auch immer. Dann wird man Gespräche mit der Geschäftsführung aufnehmen. Die verlaufen hoffentlich positiv – wenn nicht, wird man zur Schlichtungsstelle gehen und sagen: Der Arbeitgeber tut da nicht mit, wir wollen das mit euch ausmachen.
Martin Müller, ÖGB
Martin Müller: Ja. Zuerst muss man schauen, dass im Betrieb die Einigung erzielt wird. Sofern es einen Betriebsrat gibt, wäre er schlecht beraten, würde er sich nicht einmischen bei der Erstellung des Sozialplans. Schon die Drohung mit der Schlichtungsstelle wirkt – denn solange beide Seiten im Betrieb über den Sozialplan verhandeln, hat auch die Geschäftsführung Einfluss darauf.
Martin Müller: Rechtlich nicht. Sie hat aber Vorerfahrung aus anderen Betrieben oder eine Ideensammlung für den Inhalt des Sozialplans. Von daher halte ich es schon für sinnvoll, mit der Gewerkschaft zu reden. Sonst hat man unter Umständen gute Ideen nicht.
Martin Müller: Das kommt darauf an. Die Massenkündigung ist nur einer der Fälle. Eine Betriebsänderung muss nicht unbedingt mit Kündigungen in Verbindung stehen. Dann kann man mit einem Sozialplan so manche Kündigung vermeiden. Etwa bei Betriebsverlegungen geht es nicht darum, dass die Gesamtzahl der Arbeitnehmer:innen verringert wird – man braucht sie nur woanders. Da wäre zum Beispiel eine Überlegung, wie der Betrieb künftig den Werksverkehr organisiert. Damit die Beschäftigten weiterhin ihren Arbeitsplatz behalten und einfach an den neuen Standort kommen.
Martin Müller: Ich kann den Sozialplan nicht individuell ablehnen. Wenn zum Beispiel Kündigungen drohen und es gibt Outplacement-Stiftungen, kann ich als Betroffene:r davon Gebrauch machen. Oder ich sage, ich lasse die Kündigung wirken und suche mir einen anderen Job – ich muss nicht individuell dem Sozialplan beitreten. Manchmal gibt es eine Sonderabfertigung als soziale Maßnahme. Das ist von Fall zu Fall verschieden.
Martin Müller: Die wirtschaftliche Mitbestimmung ernst nehmen! Und regelmäßige Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens einfordern. Denn je früher man auf Dinge draufkommt, je früher man intervenieren kann, desto eher wird man sich auf einen Sozialplan vorbereiten können. Und desto eher kann man mit potenziell Betroffenen reden, was ihnen helfen würde in dieser Situation.
Martin Müller: In den Paragraphen 108 und 109 ArbVG ist die wirtschaftliche Mitbestimmung des Betriebsrats vorgesehen. Nimmt man das ernst, dann kann auch frühzeitig auf Entwicklungen reagiert werden. Wenn die Betriebspartner untätig sind, gibt es keinen Sozialplan. Denn eine zwingende Vorschrift, einen solchen zu vereinbaren, gibt es nicht.