Laut Universitätsbericht des Wissenschaftsministeriums von 2020 sind an den öffentlichen Universitäten in Österreich mehr als drei Viertel der Arbeitsverträge von künstlerischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen befristet. Ungefähr ein Drittel des allgemeinen, d. h. administrativen Personals hat ebenfalls befristete Arbeitsverträge. Bei vielen Universitätsbeschäftigten reiht sich so ein befristetes Arbeitsverhältnis an das andere. Der § 109 des Universitätsgesetzes („Kettenver-tragsparagraph“) macht hier möglich, was im üblichen Arbeitsrecht verpönt ist.
Wolfgang Kozak, Jurist im Bereich Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz der AK Wien
Eine Universitätsmitarbeiterin hatte mit Unterstützung der Arbeiterkammer nach mehreren befristeten Voll- und Teilzeitstellen auf Entfristung geklagt. Im Zentrum der Klage standen die unterschiedlichen Zeitgrenzen für Teilzeit- und Vollzeitkräfte, nach denen Arbeitsverhältnisse entfristet werden mussten. Dies könnte eine mittelbare Diskriminierung von Frauen darstellen, da überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten. Der Fall wurde vom Arbeits- und Sozialgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dieser entschied 2019, dass es objektive Gründe für die Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten geben müsse. Das Arbeits- und Sozialgericht musste dies nun prüfen und kam bereits 2021 zu dem Urteil, dass dies nicht der Fall ist.
Die beklagte Medizinuniversität ging in Berufung. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun in einem Urteil den Anspruch der Mitarbeiterin auf Entfristung. Obwohl das Verfahren damit positiv für die Klägerin ausgegangen ist, bringt das Urteil laut AK-Jurist Wolfgang Kozak keine dienstrechtlichen Verbesserungen. Ein positiver Aspekt sei zwar, dass der EuGH hinsichtlich der mittelbaren Diskriminierung in diesem Fall die Beweislast umgekehrt hat, d. h. nicht mehr die Klägerin, sondern die beklagte Partei muss Beweise erbringen. Frauen arbeiten häufiger als Männer in Teilzeit, insbesondere dann, wenn sie Betreuungspflichten haben. „Auf das Argument der mittelbaren Diskriminierung und die Verfassungskonformität des Gesetzes geht das Urteil des OGH allerdings nicht im Ansatz ein“, kritisiert Kozak, der sich hier eine ausführlichere Prüfung gewünscht hätte.
Das Urteil des OGH bezieht sich in seiner Argumentation auf den Zweck des Universitätsgesetzes, demzufolge der § 109 das wissenschaftliche Fortkommen gewährleisten soll. Die beklagte Universität habe jedoch nicht darlegen können, inwiefern eine weitere befristete Stelle für die Karriere der Mitarbeiterin gerechtfertigt gewesen wäre. Ein Ausscheiden der Wissenschafterin hätte zudem keine großen Auswirkungen auf das betreffende Projekt gehabt. Eine weitere Befristung wäre daher nicht zulässig gewesen. Die Klage wird somit ausschließlich als Einzelfall behandelt. „Das grundsätzliche Problem der Kettenverträge wurde durch das Urteil aber nicht einmal im Ansatz gelöst“, fasst AK-Jurist Wolfgang Kozak zusammen.
Der § 109 wurde im Zuge der Reform des Universitätsgesetzes zwar geändert, aber die Probleme durch die langen und oftmaligen gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten bleiben. Viele vor allem jüngere Wissenschafter:innen mit befristeten Arbeitsverträgen sind unzufrieden und beklagen mangelnde Karriereperspektiven, wie eine aktuelle Studie der AK Wien zeigt. Kettenarbeitsverträge erhöhen nicht zuletzt das Machtgefälle zugunsten der Vorgesetzten, die oft auch zugleich für die (wissenschaftliche) Karriere der Mitarbeiter:innen zuständig sind, und erleichtern Machtmissbrauch. Befristete Arbeitsverträge an den Universitäten sind in vielen Fällen sachlich nicht zu rechtfertigen. „Die Universitäten decken ihren Dauerbedarf über Kettenverträge ab,“ so Wolfgang Kozak. Die AK fordert daher schon lange eine Überarbeitung der Kettenvertragsregel, damit Befristungen nur in Ausnahmefällen möglich sind.