Frau in Wissenschaft © Adobe Stock / Dragana Gordic
Recht klar

OGH zu Kettenverträgen

Ein Urteil des OGH hat einer Wissenschafterin Recht gegeben, die auf Entfristung geklagt hatte. Grundsätzliche Probleme mit Kettenverträgen bleiben jedoch.

Matthias Falter
01.02.2023
in diesem Artikel

    Universitätsbericht des Wissenschaftsministeriums von 2020

    Laut Universitätsbericht des Wissenschaftsministeriums von 2020 sind an den öffentlichen Universitäten in Österreich mehr als drei Viertel der Arbeitsverträge von künstlerischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen befristet. Ungefähr ein Drittel des allgemeinen, d. h. administrativen Personals hat ebenfalls befristete Arbeitsverträge. Bei vielen Universitätsbeschäftigten reiht sich so ein befristetes Arbeitsverhältnis an das andere. Der § 109 des Universitätsgesetzes („Kettenver-tragsparagraph“) macht hier möglich, was im üblichen Arbeitsrecht verpönt ist.


     

    Wolfgang Kozak © Lisa Lux
    © Lisa Lux
    Wolgang Kozak, AK Wien
    "Die Universitä­ten decken­ ihren Dauer­be­darf über Ketten­ verträge ab."­

    Wolfgang Kozak, Jurist im Bereich Arbeits­recht­liche Be­ra­tung und Rechts­schutz der AK Wien

    Klage gegen Kettenvertrag

    Eine Universitätsmitarbeiterin hatte mit Unterstützung der Arbeiterkammer nach mehreren befristeten Voll- und Teilzeitstellen auf Entfristung geklagt. Im Zentrum der Klage standen die unterschiedlichen Zeitgrenzen für Teilzeit- und Vollzeit­kräfte, nach denen Arbeitsverhältnisse entfristet werden mussten. Dies könnte eine mittelbare Diskri­minierung von Frauen darstellen, da überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten. Der Fall wurde vom Arbeits- und Sozialgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dieser entschied 2019, dass es objektive Gründe für die Ungleich­behandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten geben müsse. Das Arbeits- und Sozialgericht musste dies nun prüfen und kam bereits 2021 zu dem Urteil, dass dies nicht der Fall ist.

    Das OGH-Urteil 

    Die beklagte Medizinuniversität ging in Berufung. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun in einem Urteil den Anspruch der Mit­arbeiterin auf Ent­fristung. Obwohl das Verfahren damit positiv für die Klägerin ausgegangen ist, bringt das Urteil laut AK-Jurist Wolfgang Kozak keine dienstrecht­lichen Verbesserungen. Ein posi­tiver Aspekt sei zwar, dass der EuGH hinsichtlich der mittelbaren Diskriminierung in diesem Fall die Beweislast umgekehrt hat, d. h. nicht mehr die Klägerin, sondern die beklagte Partei muss Beweise erbringen. Frauen arbeiten häufiger als Männer in Teilzeit, insbesondere dann, wenn sie Betreuungs­pflichten haben. „Auf das Argument der mittelbaren Diskriminierung und die Verfassungs­konfor­mität des Ge­setzes geht das Urteil des OGH allerdings nicht im Ansatz ein“, kritisiert Kozak, der sich hier eine ausführlichere Prüfung gewünscht hätte. 

    Das Urteil des OGH bezieht sich in seiner Argumentation auf den Zweck des Universitäts­gesetzes, demzufolge der § 109 das wissenschaftliche Fort­kommen gewährleisten soll. Die beklagte Universität habe jedoch nicht darlegen können, inwiefern eine weitere befris­tete Stelle für die Karriere der Mitarbeiterin gerecht­fertigt gewesen wäre. Ein Ausscheiden der Wissen­schafterin hätte zudem keine großen Auswirkungen auf das betreffende Projekt gehabt. Eine weitere Befristung wäre daher nicht zulässig gewesen. Die Klage wird somit ausschließlich als Einzelfall behandelt. „Das grund­sätzliche Problem der Kettenverträge wurde durch das Urteil aber nicht einmal im Ansatz gelöst“, fasst AK-Jurist Wolfgang Kozak zusammen. 

    Probleme bleiben

    Der § 109 wurde im Zuge der Reform des Universitäts­gesetzes zwar geändert, aber die Probleme durch die langen und oftmaligen gesetzlichen Befristungs­möglich­keiten bleiben. Viele vor allem jüngere Wissen­schafter:innen mit befristeten Arbeits­verträgen sind unzu­frieden und beklagen mangelnde Karriere­perspektiven, wie eine aktuelle Studie der AK Wien zeigt. Ketten­arbeits­verträge er­höhen nicht zuletzt das Macht­gefälle zugunsten der Vor­gesetzten, die oft auch zugleich für die (wissenschaftliche) Karriere der Mitarbeiter:innen zuständig sind, und erleichtern Macht­missbrauch. Befristete Arbeitsverträge an den Univer­sitäten sind in vielen Fällen sachlich nicht zu rechtfertigen. „Die Universitäten decken ihren Dauerbedarf über Kettenverträge ab,“ so Wolfgang Kozak. Die AK fordert daher schon lange eine Überarbeitung der Ketten­vertrags­regel, damit Be­fristungen nur in Ausnahme­fällen möglich sind.


    FACTBOX

    Die AK fordert:
    Arbeitsbedingungen des Wissenschaftspersonals verbessern!

    • Verpflichtende nachhaltige Personalstrukturplanungen an den Universitäten, die Karriereperspektiven für Jungforscher:innen schaffen.
    • Verbesserte Arbeitsbedingungen (z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Umgang mit unbezahlter und impliziter Mehrarbeit).
    • Umfassende Novellierung der Kettenvertragsregel im § 109 des UG und gesetzliche Anpassung an die Interessenslage der Beschäftigten.

     

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