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Weitblick

Frauenarmut ist nicht Frauensache

In Österreich hat Armut ein Geschlecht: Frauen haben ein erhöhtes Armutsrisiko, weil hauptsächlich sie die unbe­zahlte Arbeit übernehmen. Warum diese Ungerech­tigkeit höchste Reform-Priorität hat – und wieso besonders der Betriebsrat gefragt ist.

Delna Antia-Tatić
16.02.2025

Gefühlt arbeiten sie rund um die Uhr – in der Nacht, am Wochenende und bis ins hohe Alter. Frauen in Österreich ziehen meist die Kinder groß, pflegen die Angehörigen, übernehmen die Hausarbeit und sorgen sich „nebenbei“ um ihren Erwerbsjob. Zusammen macht das mehr als Vollzeit. Doch entlohnt werden Frauen für diese Arbeitslast nicht. Im Gegenteil, sie leiden oft unter Geldsorgen und kommen finanziell schwer über die Runden. Armut ist in Österreich weiblich. 

(Frauen-)Armut ist kein Schicksal

In den Caritas-Beratungs­stellen wird das in Zahlen spürbar: Zwei Drittel der Menschen, die um Hilfe ansuchen, sind Frauen. 20 Prozent sind Allein­erzieherinnen. Sie können sich vollwertige Mahlzeiten nicht leisten, laufende Kosten nicht pünktlich bezahlen oder etwa die Wohnung nicht angemessen heizen. Doch Armut ist kein Schicksal, Armut ist die Folge ungerechter Strukturen, wie Caritas und Arbeiterkammer gemeinsam kritisieren.

Infografik Armutsgefährdung © AKtuell, Quelle: Caritas
© AKtuell, Quelle: Caritas

Faire Bewertung von Care-Arbeit

Denn Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Erwerbs­arbeit wird anerkannt und bezahlt, Sorge­arbeit ist hingegen ungesehen und unbezahlt. Und zwei Drittel der unbezahlten Arbeit wird von Frauen verrichtet. Das hat Konse­quenzen: Weil Frauen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit übernehmen, müssen sie viel öfter als ihre männlichen Kollegen in Teilzeit arbeiten, haben dadurch weniger Karriere­chancen und beziehen geringere Einkommen – was sich in ihrer Pension durchschlägt, Stichwort Altersarmut.

Die größten Armuts­risiken haben demnach Allein­erziehende: 42 Prozent gelten als armutsgefährdet. Aber auch alleinlebende Pensionistinnen sind besonders armutsgefährdet. Hinzu kommt, dass gerade in den frauenspezifischen Bereichen schlechter entlohnt wird. Frauen haben also doppelt das Nachsehen.

Die Anerkennung von Care-Arbeit ist daher ein Kern­anliegen, wie Caritas-Österreich-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler in gemeinsamer Initiative mit der Arbeiterkammer betont. „Konkret heißt das: Wir brauchen endlich halbe-halbe! Wir brauchen gesetzliche Rahmenbedingungen für eine faire Verteilung und Bewertung von Care-Arbeit – von der Kinderbetreuung bis zur Pflege. Außerdem fordern wir eine hochwertige und flächendeckende Kinder­betreuung, Ganztags­schulen und Pflege-Angebote. Und, last but not least, brauchen wir bessere Arbeits­bedingungen und höhere Entlohnung in frauen­spezifischen Bereichen, damit Frauen wirtschaftlich unabhängig sein, für sich selbst vorsorgen und Altersarmut verhindern können.“

Frauenarmut Österreich © AKtuell
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Lohntransparenz gegen Einkommensunterschiede

Das erhöhte Armutsrisiko bei Frauen hat aber noch mehr Ursachen. So lassen sich zwei Drittel des Einkommens­unterschiedes zwischen Frauen und Männern nicht durch strukturelle Benachteiligungen erklären, sondern gehen höchstwahrscheinlich auf Lohn­diskriminierung zurück. Immerhin verdienen Frauen in Österreich 18,4 Prozent weniger als Männer – pro Stunde. Der EU-Durchschnitt beträgt 13 Prozent, damit steht Österreich im EU-Vergleich an vorletzter Stelle.
 
Die Arbeiter­kammer fordert daher eine zügige Umsetzung der EU-Lohn­transparenz-Richtlinie. „Die muss aber an das KMU-Land Österreich angepasst werden,“ so Arbeiterkammer Präsidentin Renate Anderl in Hinsicht auf Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU). „Heißt: Lohntransparenz ab 25 Mitarbeiter:innen. Das trifft nur 3 Prozent aller Betriebe, aber hilft 70 Prozent aller Arbeitnehmer:innen.“

Gegen Frauenarmut: Betriebsrat für Väterbeteiligung

Für Caritas und AK ist klar – es braucht politische Reformen. Und gleichzeitig ein Umdenken in Österreichs Unternehmen. Betriebsräten kommt hier eine wichtige Rolle zu. Denn das Um und Auf für „halbe-halbe“ ist die Beteiligung von Vätern. Je väter­freundlicher ein Unternehmen ist, umso mehr hilft das Frauen, nicht in die Armutsfalle zu geraten.

Doch die Väter­beteiligung ist rückläufig – in doppelter Hinsicht, wie das letzte Wieder­einstiegs monitoring der Arbeiterkammer zeigt: Immer weniger Väter gehen in Elternkarenz – und sie gehen immer kürzer. Für die Wieder­einstiegs­chancen von Frauen ist das gravierend. Zudem steht der Trend im Widerspruch zum Interesse vieler Väter, sich eigentlich mehr beteiligen zu wollen. Doch die Erfahrung aus der AK Arbeits­rechts­beratung zeigt, dass viele Unternehmen Männer unter Druck setzen, keine oder nur eine möglichst kurze Auszeit wie den „Papamonat“ zu nehmen.

Betriebsräte können diese Problematik auf ihrer Agenda priorisieren. Wie wird Väter­beteiligung im Betrieb gesehen und gelebt? Welche Hindernisse gibt es, welche Ängste? Durch Initiativen zu Beratung und Karenz­management in den Betrieben, gerade auch für Männer, können Väter mit oft fehlendem Wissen versorgt werden – ob zu finanziellen Anreizen oder Möglichkeiten wie Papamonat & Co. 

Auch männliche Role-Models, gerade in Führungs­funktionen, setzen wichtige Vorbildsignale. Zudem hilft es, im Gremium mehr Teilzeit-Betriebsrät:innen mit Care-Verantwortung einzubinden. Es ist also oft auch ein Umdenken im Betriebsrat gefordert. Denn Frauenarmut darf nicht Frauensache sein.


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