Barbara Blaha: Der Sozialstaat federt Existenzängste ab: Er hebt über eine Million Menschen in Österreich über die Armutsgrenze, durch Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld und andere Transferzahlungen. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Sozialstaat Lücken hat. Wir sind mit Kinderarmut konfrontiert. Bei Arbeitslosigkeit rutscht man schnell in die Armut. Altersarmut ist ein großes Problem, das insbesondere Frauen betrifft.
Hier sagen Menschen zu Recht: „Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, mich um die Kinder gekümmert und jetzt muss ich schauen, wie ich in den nächsten 20 Jahren über die Runden komme.“ Da entsteht naheliegenderweise eine Frustration. Aber das muss nicht so sein: Der Sozialstaat ist von Menschen gebaut und kann auch entsprechend verändert werden. Das wäre ein politisches Projekt, das sich lohnt.
Markus Marterbauer: Der Sozialstaat schafft Untergrenzen auf der Einkommensebene, z. B. durch Ausgleichszulage für Pensionen und Mindestsicherung. Aber wir sehen auch, dass die unteren sozialen Netze nicht armutsfest sind. Viele Sozialleistungen erreichen die Menschen auch nicht, die eigentlich Anspruch hätten, wenn wir etwa an die niedrige Take-Up-Rate bei Sozialhilfe und Mindestsicherung denken. Hier gibt es also massive Defizite.
Außerdem müssen die sozialen Untergrenzen über den Sozialstaat hinausgehen, etwa was Arbeitnehmer:innnenrechte und Mindestlöhne betrifft, die tatsächlich armutsfest werden müssen. Das Ziel des Sozialstaates muss es sein, Furcht zu verhindern und Armut auszuschließen. Der Sozialstaat muss auf Rechten und Ansprüchen aufbauen. Zu oft sehen wir Bittstellertum, wenn wir etwa daran denken, wie Menschen in Einwanderungsämtern oder beim/bei der Chefärzt:in behandelt werden.